Wenn der Beruf zur Berufung wird
von Andrea Travnik, etc-magazin, Oktober 2017
Im Gespräch mit "etc." erzählt uns der Gymnasiallehrer und Künstler Peter Haselmayer von seiner Berufung, seinem besonderen Lehrstil und verrät uns sein Herzensfach in der Schule wie auch in seiner Kunst: die Bildnerische Emanzipation.
Peter Haselmayer und ich treffen uns an einem nebeligen Sonntagnachmittag in seiner Wohnung im 17. Wiener Gemeindebezirk. Die ist bereits wohlig warm vom Holzofen beheizt. Ein paar Stunden zuvor wurde ihm das Winterholz geliefert, immerhin ist die kalte Jahreszeit nicht mehr fern. Bei einer Tasse Kaffee, den er im Espressokocher am Herd zubereitet, sitzen wir uns zum ersten Mal gegenüber. Seine Kunstprojekte jedoch waren mir schon seit vielen Spaziergängen bekannt, denn seine im Erdgeschoss gelegene Wohnung hat ein besonders Feature: Schaufenster, die im Zuge seiner "radical love"-Happenings mit verschiedenen Kunstwerken ausgestattet sind. mehr
(c)Peter Haselmayer
Schwammige Männlichkeit / Allgemeine Zeitung / Rhein Main Presse / 18.7.2017
von Meike Hickmann
FESTIVAL Lesung und Performance bei „Tell Tales“ treiben maskuline Dominanz ins Absurde
MAINZ - Spürst du die Kritik in dir? Nein? Dann besser noch mal mit dem Schwamm drüber – der saugt alles Problematische auf und drückt es wieder aus. „Ein Schwamm ist so wenig zu fassen wie der Begriff der Männlichkeit“, sagt Mathis Ruffing. Diese ist Thema des Freitagabends beim Kunstfestival „Tell Tales“ in der Kulturei auf der Zitadelle. Mathis Ruffing und Lukas Renner präsentieren ihren „Muskulenz-Workshop“ in der Form eines Hörbuch-Trainings mitsamt sphärischer Musik und Traumreise. Eine ruhige Stimme sendet direkt ans Unterbewusstsein, wie man seinen inneren Schwamm benutzt – Selbstoptimierung, die in die Leere des Aberwitzigen führt. Das Festival „Tell Tales“ der Kunsthochschule will Abseitiges präsentieren – den zwei Berliner Künstlern geht eine performative Lesung voraus.
Auch mal aushalten, etwas nicht zu verstehen
Walter Ego trägt ein orange-schwarz kariertes Jacket zu Glitzershirt und Ringelsöckchen und liest aus seinem illustrierten Buch „Ich bin ein anderer“. Er gluckst verschmitzt über seine eigenen Witze und gibt mit seinem lispelnden Englisch zu, ein schlechter Künstler zu sein, weil er ja auch schlecht Englisch spreche. „Diese Figur zeigt die Schattenseite in mir und darf vor allem scheitern“, sagt der Wiener Künstler Peter Haselmayer. Tatsächlich ist das Lustigste an der Lesung, dass Walter Ego häufig als einziger über seine Anekdoten und Gedichte lacht und sich dabei so freut, dass er aufgeregt von einem Bein aufs andere tritt.
Er erzählt, wie er nicht warten wollte ins Kunstmuseum eingeladen zu werden und als seine Performance vom Wachpersonal unterbrochen wurde, habe er schlicht gesagt, das gehöre zu Performance. Kunst ad absurdum. Charmant-abstrus sind auch Sätze wie „I am waiting to become a waiter“ – Ich warte, um ein Wartender zu werden. Das wäre vielleicht das küchenphilosophische Anliegen von Walter Ego, jedoch bedeutet „waiter“ auch „Kellner“. Manches ist auch schlicht sinnbefreit: „When I am high, I am shy, when I drink I stink“ – „Wenn ich high bin, bin ich schüchtern, wenn ich trinke, stinke ich“ – vielleicht meint er mit „stink“ aber auch eher, anderen auf die Nerven zu gehen. In diesem Kontext persiflieren sich zerstreute Lebensweisheiten selbst wie: „Wenn ich mich zu sehr darauf konzentriere, was ich bin, vergesse ich, was ich sein könnte.“
Eine Lesung, die ihre Zuhörer so amüsiert wie verwirrt zurücklässt. „Man muss auch mal aushalten, etwas nicht zu verstehen“, sagt Haselmayer. Genau darum ginge es bei seiner Popfigur – das neoliberale Diktat des Positiven, der Kontrolle und ja, auch der männlichen Dominanz zu durchbrechen. „Es geht nicht um einen Imperativ, Walter Ego redet nur über sich“, sagt Haselmayer. „Er denkt nie in Urteilen und adressiert niemanden.“
Karikatur wissenschaftlicher Theoriesprache
Auch Ruffing und Renner wollen mit ihrem „Muskulenz-Workshop“ keine Handlungsanweisungen zur sogenannten „Kritischen Männlichkeit“ bieten. „Wir brechen das eher ironisch mit der Fremdheit der Worte“, sagt Ruffing. „Muskulenz“ und „Maskulenz“ haben sie erfunden und die von Fremdworten und Schachtelsätzen triefende Einleitung solle eine Karikatur wissenschaftlicher Theoriesprache sein. Von der Fehlerhaftigkeit männlicher, aber auch allgemeiner intellektueller Dominanz, nehmen sie sich nicht aus. „Wir stehen vor einer Gruppe Liegender und halten einen geschraubten Vortrag“, sagt Renner – auch sie spüren also die Kritik ins sich.
(c)hbz/Kristina Schäfer
Lydia Haider / 5.5.2017 / Falter 18/2017
„When I was young / I was told / to eat / more meat / to become a tall / and strong man. / But I didn’t want to. / So I said, / ,The more colorful I eat / the more colorful I shit.‘“ Anti-Aphorismen, kurze Geschichten, Gedichtartiges oder widersinnige Sprüche, die sich doch lehrreich und ihrer eigentlichen Form anschmiegend in Geistreiches versteigen: Neben Zeichnungen, die Katzenposter unterwandern, bildet das den Kern des Bild- und Textbandes des Künstlers Peter Haselmayer.
Das „sprechende“ Pseudonym Walter Ego lässt unmittelbar erkennen, dass es hier um ihn selbst geht. Aber auf ganz andere Weise, als man es erwarten könnte. In bewusst dilettantischem Englisch und mithilfe eines Gorillas (eines Stofftiers, das ihm seine Eltern nie geschenkt haben) werden genussvoll Scheitern und konsequente Verweigerung vorgeführt. Etwas sehr Wesentliches ist Bild wie Text inne: Dringlichkeit. Das musste jemand aus sich rauslassen.
Lisa Bolyos / 31.01.2017 / Augustin
«Ich bin ein anderer», das sind Aphorismen, Anekdötchen, Zeichnungen, Anflüge von Dichtung. «I am not a poet. I just never learned to express myself properly / probably.» Sie erzählen von der OK-heit, anders, fehlerhaft, voll mit unerfüllten Wünschen und inadäquaten Antworten zu sein: «A praise of failure and refusal.» Der Autor, Walter Ego alias Peter Haselmayer alias Papa, nagelt in seiner Anti-Biographie vor allem die Provinz fest: «He enjoyed being taught catholic and proletarian ideas mixed with rough farmers habits. He escaped to the city of Vienna when he was older.» Die Provinz ist unbeugsame Herkunft. Die Provinz ist Stigma. Die Provinz ist die einzig vorhandene Kinderstube. Die Provinz zwingt ihn, nicht die Sprache der Provinz, sondern Englisch zu sprechen, auch wenn er das nicht richtig kann: «I am a countryboy, a dilletant. I try to avoid any kind of professionalism.» In Wien, wohin er geflohen ist, studiert er Kunst bis zum bitteren Ende: «Never won any price, nor got any stipendia or fellowship neither did a residency.» Und erinnert sich eines erwachsenen Tages daran zurück, dass schon der erste sehnlichste Wunsch (ein Stoffgorilla) ihm in dieser Kindheit in dieser Provinz verwehrt wurde.
Auf der Suche nach dem inneren Gorilla entstand dieses Buch. Etwas andere «Selbstfindungsliteratur». Kein Ratgeber, aber ein Beistand, den man brauchen kann. «When I have been to the mental / hospital I met a guy. / He asked, ‹Which country?› / I said, ‹I am a foreigner in my own / country. I am country side. / ‹Why are you here?›, he said. / ‹Borderlinesyndrome.» / He said, ‹Welcome at home›.» Und auf der Rückseite des Buches schließlich, ernüchternd, die Mutter als Referenz: «‹They will admit you to the nut house.› (‹Do liefan’s di ein.›)»